Makler und Sachverständigenbüro, Baugutachter aus Stühlingen

Fachbeitrag

Augen auf beim Immobilienkauf.
Vorwort:
Vielen Menschen scheint es bei der Entscheidung im Hinblick auf einen Immobilienkauf nicht bewusst, dass Sie sehr oft den Aussagen von am Kaufvertrag beteiligten Personen vertrauen oder wähnen sich auf Grund der Sachkunde eines beratenden Freundes auf der sicheren Seite. Der Artikel soll dem interessierten Leser die Sinne schärfen. Falsche Entscheidungen beim Immobilienkauf bedrohen oft die ganze wirtschaftliche Existenz.
Nachfolgend dargestellt sind Beispiele aus der Bewertungspraxis des Autors. Im Wesentlichen beziehen sich diese auf Gerichtsgutachten, Kaufpreisbewertungen, Erbschaftsauseinandersetzungen und Streitigkeiten im Zusammenhang mit Behörden. Wesentliche Themen sind farblich rot markiert. Grundsätzliches ist unterstrichen. Beispiele sind fett hervorgehoben. Die kursiv dargestellten Kapitel ,,Behörden, Planung, Mängel und Schäden, Rechte und Dienstbarkeiten'' sind Überschriften für den jeweils nachfolgenden Bereich.
Wenn zwischen Käufer und Verkäufer bei Vertragsabschluss keine Details bezüglich des zu veräußernden Anwesens vertraglich formuliert wurden, dann erscheint in den notariell beglaubigten Verträgen häufig eine Formulierung vergleichbar der ,,gekauft wie gesehen''. Beim Kauf eines Autos wendet sich der Interessent gerne an einen Fachhändler seines Vertrauens; beim kostenintensiveren Immobilienkauf dagegen scheint dies im Einzelfall nicht erforderlich; sehr oft mit fatalen, meist mit ruinösen Konsequenzen.
Im Nachfolgenden sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit Behörden dargestellt:
Eine besonders zu berücksichtigende Behörde bei der Verkehrswertermittlung von älteren, Liegenschaften ist der Denkmalschutz, der beim zuständigen Regierungspräsidium über die ,,Schutzwürdigkeit'' eines Anwesens urteilt. Oft erhält lediglich die untere Denkmalschutzbehörde beim Landratsamt und die Gemeindeverwaltung ein Schreiben, welches Anwesen in ihrem Zuständigkeitsbereich zukünftig als Denkmal geschützt wird. Der Verkäufer eines Anwesens kann dem zu Folge manchmal in Unkenntnis darüber sein, dass sein Eigentum dem Denkmalschutz unterworfen wurde.

Hier ein Praxisbeispiel, das diese Problematik weiter erläutert:
1) Ein verkaufter, in der Sachgesamtheit denkmalgeschützter Bauernhof, mit vergleichsweise geringem Wohnflächenanteil und einer ungenügenden Heizleistung per Kachelofen kann vom neuen Eigentümer in Zusammenarbeit mit der Denkmalschutzbehörde lediglich mit einer zugelassenen Innendämmung energetisch verbessert werden, was wiederum eine Verkleinerung des ohnehin schon knapp bemessenen Wohnraums zur Folge hat.





Der Heizenergiebedarf bei diesen Anwesen liegt bei 25- 40 Liter Heizöl/ m² beheizter Fläche. Heute üblich sind Gebäude mit einem Heizenergiebedarf unter 10 Liter Heizöl/ m² beheizter Fläche. Generell gilt: Baumängel entstehen während der Bauzeit. Ein mangelhaft gedämmtes Gebäude ist bezüglich getätigter und noch erforderlicher Modernisierungsarbeiten Einzelfall bezogen zu bewerten, ebenso wie bezüglich der Entfernung, beziehungsweise dem Ersatz von unzweckmäßigen Baustoffen (Beispiele: Asbesthaltige Eternitplatten, lungengängige KMF- Fasern, krebserregenden Holzschutzmitteln,...); dazu die Wertermittlungsrichtlinie.
Hier beispielhaft das Bild einer asbesthaltigen Fassadenverkleidung:

Hier beispielhaft ein Bild von freigesetzten lungengängigen KMF- Fasern


Ein Käufer erwirbt ein ,,hübsches Anwesen'' mit gewerblicher Nutzung im unbeplanten Außenbereich ohne mit der zuständigen Gemeinde vor Ort vorab gesprochen zu haben.
Diese hatte der Bebauung im Außenbereich damals lediglich im Sinne des §35 Baugesetzbuch zugestimmt, weil der damalige Eigentümer ein ortsansässiger landwirtschaftlicher Betrieb war. Alle vom Käufer geplanten Umbaumaßnahmen und Nutzungsänderungen können nun hinfällig sein, da ihm beispielsweise lediglich eine Nutzung eigeräumt wird, die der vorherigen entspricht. Seitens des zuständigen Landratsamtes kann es vorkommen, dass dem Käufer mit einer Abbruchverfügung gedroht wird, weil er nicht privilegiert ist.

Ein Käufer unterstellt, dass alle Gebäude eines Grundstücks ordnungsgemäß errichtet wurden und daher auch Bestandschutz genießen. Stellt sich bei Akteneinsicht bei der Gemeindeverwaltung, beziehungsweise beim zuständigen Landratsamt heraus, dass ein Gebäude ohne Genehmigung der Behörden errichtet wurde, ist Streitpotential gegeben, denn eine nachträgliche Genehmigung ist mit einigem Aufwand bezüglich Kosten und Zeit verbunden, da es u.a. gilt eine Bebauung vor Ort zu erfassen, zeichnerisch ab zu bilden, einen Standsicherheitsnachweis zu erbringen und einen sachgerechten Bauantrag nach zu reichen.

Im Nachfolgenden sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Planungsverantwortung wie Grundrissgestaltung/ Besonnung/ Wohnflächengestaltung und Wohnflächenermittlung dargestellt:
Insbesondere ältere und nicht modernisierte Wohngebäude genügen oft nicht den heutigen Anforderungen an eine aktuelle Wohnraumgestaltung. Gefangene Räume, unzweckmäßiger Wohnungszuschnitt oder extern gelegene, nicht ausreichend beheizte Sanitärräume sollen beispielhaft für Wertminderungen genannt werden. Insbesondere die Immobilien im Schwarzwald wurden häufig so gebaut, dass die Schutzfunktion gegenüber Wind, Regen, Schnee die Faktoren ,,große Sonneneinwirkmöglichkeiten und hohen Lichteinfluss'' dominierten, was heute wertmindernd bewertet wird.










Beispiel für die typische, heute unzweckmäßige Grundrissgestaltung eines ca. 100 Jahre alten ehemals landwirtschaftlich genutzten Anwesens:






Eine lichte Höhe der Wohnräume unter 2,00 m hat erheblichen Einfluss auf die Ermittlung der anrechenbaren Wohnflächen.
Beispiel: Bei gemessenen 140 m² Grundfläche von Wohnraum mit einer lichten Höhe unter 2,00 m wird gemäß Wohnflächenverordnung dieser Wert mit dem Faktor 0,5 multipliziert. Die anrechenbare Wohnfläche beträgt demnach lediglich 70 m² (140 m² x 0,5 = 70 m²). Bei der Ermittlung des Verkehrswertes mit dem Ertragswertverfahren, wo die nachhaltig erzielbare Miete bezüglich vermietbarer Wohnflächen geschätzt wird, wird der Ertragswert der Wohnbebauung dadurch halbiert.
Bild einer Wohnung mit einer lichten Höhe unter 2,00 m
Häufig wurden alte Gebäude an fließende Gewässer gebaut, insbesondere um Wasser auch zum Waschen und manchmal für die Energiegewinnung in unmittelbarer Nähe zu haben. Das die Gründung eines Wohnhauses ohne Beton zu einer Durchfeuchtung der angrenzenden Räume führte, wird oft akzeptiert oder ,,in Kauf'' genommen, ist aber bezüglich der Wertermittlung eines Wohngebäudes wesentlich. Nicht- Wohnflächen (diese Räume werden lediglich meist nur noch zu Lagerzwecken genutzt) werden bei der Verkehrswertermittlung von Wohngebäuden mit dem Ertragswertverfahren als nicht wertungsrelevant gewertet. Grundsätzlich gilt: Bezüglich vorhandener ,,Feuchträume'' darf niemals der Tageslichteinfluss reduziert werden, beispielweise durch Zumauern oder dauerhaftes Schließen der Fenster mit Klappläden, weil dadurch die Schimmel- und Hausschwammgefahr erheblich vergrößert wird.
Im Nachfolgenden sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit Mängeln/ Schäden dargestellt:
Generell gilt: Ein Baumangel entsteht während der Bauzeit. Ein Bauschaden entsteht nach der Fertigstellung in Folge äußerer Einwirkung; dazu gehören vernachlässigte Instandhaltung, Bergschäden, Wasserschäden, Holzerkrankungen und Schädlingsbefall oder Fremdeinfluss; dazu auch die Wertermittlungsrichtlinie.
In älteren, landwirtschaftlich genutzten Gebäuden, das gilt auch für Wohngebäude ist häufig eine Schädigung der Holzbalken oder- Stützen zu finden, wenn die Verkleidung entfernt wird.

Unten sind Bilder von Holzschädigungen eines über 250 Jahre alten Türbalkens nach Entfernen der unbeschädigten und intakten Außenverkleidung in einem Wohnhaus abgebildet:
Türrahmenbalken, völlig zersetzt
Wenn eine Immobilie in starker Hanglage im Sommer ohne genaue Kenntnis der Grundstücksentwässerung den Eigentümer wechselt, kann dies im Winter/ Frühjahr zu unliebsamen Überraschungen führen. Insbesondere dann, wenn die Entwässerungs- und Drainagearbeiten des Grundstücks unzureichend ausgeführt wurden sind meist erhebliche Wasserschäden die Folge. Diese verborgenen Mängel (Planung und Ausführung) sind oft nicht augenscheinlich zu erkennen und können lediglich von denen wahr genommen werden, die ein entsprechendes Anwesen kennen, beziehungsweise nutzen. Um solchen Ärger zu vermeiden, ist einem Kaufinteressenten zumindest die Befragung vor Ort sachkundiger Personen, Nachbarn und der Behörden an zu raten und ein entsprechender Passus im Kaufvertrag zu fixieren.
Die Verlegung und Sicherung der elektrischen Leitungen ist auf Grund des Brandschutzes ein spezielles Thema, insbesondere dann, wenn in alten Bebauungen unterschiedliche Leitungs- und Sicherungssysteme vorhanden sind. Manchmal wurde eine elektrische Anlage in nicht fachgerechter Eigenbauweise eigen verlegt. Weil in diesem Fall eine Gefahr für Leib und Leben besteht, ist eine Überprüfung und teilweise Neumontage zwingend erforderlich; die erforderlichen, zu schätzenden Kosten, mindern den Verkehrswert.



Risse in der Bausubstanz, Bewertung von Instandsetzungskosten: Bei Rissen in der Bausubstanz wird bezüglich einer Verkehrswertermittlung normaler Weise nicht die Ursache für das Bauteil- oder Baustoffversagen ermittelt, sondern lediglich die Kosten für eine Schadensbeseitigung geschätzt; insbesondere bei Rissen im Innenbereich, wo normaler Weise keine Feuchtigkeit oder andere schädigenden Stoffe in die Bausubstanz gelangen können. In seltenen Fällen ist das Anbringen von Gipsmarken und eine detaillierte Ursachenuntersuchung erforderlich; insbesondere dann, wenn der Verkehrswert durch große Instandsetzungskosten erheblich beeinflusst würde. Generell gilt: Zwingend erforderliche Schadensbeseitigungskosten werden nicht alters Wert gemindert, alle anderen Instandsetzungs- oder Modernisierungskosten werden bei der Verkehrswertermittlung alters wertgemindert; dazu die Wertermittlungsrichtlinie. Beispiel: Bei einem Gebäude, das eine wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren und eine wirtschaftliche Restnutzungsdauer von 40 Jahren hat, ist die lineare Alterswertminderung 50%. Sind Instandsetzungskosten von 20.000,- EUR und zwingend erforderliche Schadensbeseitigungskosten von 10.000,- EUR erforderlich, dann wird der Ertragswert der betroffenen Bebauung um insgesamt 20.000,- EUR gemindert ((20.000,- EUR x 0,5) + 10.000,- EUR = 20.000,- EUR). Grundgedanke bei dieser Vorgabe durch die Richtlinie ist, dass eine Wertminderung bezüglich erforderlicher Instandsetzungskosten an einem Bauteil nicht größer sein kann, als der Wertanteil des betreffenden Bauteils am Gesamtwert des Baukörpers.
Im Nachfolgenden sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Rechten und Dienstbarkeiten dargestellt:
Es wird unterschieden in privaten und öffentlich Rechten, dinglich gesicherten und nicht dinglich gesicherten Rechten.
Baulasten sind öffentlich rechtliche Grundstücksbelastungen und beim zuständigen Bauamt zu erfragen. Mit der Eintragung im Baulastenverzeichnis oder Baulastenbuch ist eine Baulast dinglich gesichert und wertungsrelevant. Beispiel: Eine dinglich gesicherte Baulasteintragung kann im Falle eines Leitungsrechtes für die Gemeinde die Bebaubarkeit des belasteten Grundstücks ganz erheblich einschränken, weil die verlegten Leitungen inklusive eines Sicherheitsabstandes üblicher Weise von Bebauungen frei zu halten sind.
Grunddienstbarkeiten, Wegerechte oder Wohnungsrecht sind privatrechtliche Eintragungen, die in den Abteilungen I und II der Grundbücher dinglich gesichert sind.
Beispiel: Bei ländlichen Anwesen ist sehr häufig ein Durchfahrts- oder Wegerecht zu Gunsten des Nachbargrundstücksinhabers in den Grundbüchern zu finden, sofern dieser keine andere Zufahrtsmöglichkeit zu seinem Grundstück oder Flurstück hat. Dieses Recht ist für das belastete Grundstück wertmindernd zu bewerten und das nicht nur auf Grund der störenden Immission, sondern auch wegen der höheren Instandhaltungskosten für den häufig mit Landwirtschaftsmaschinen befahrenen Weg oder den regelmäßig zu erneuernden Anstricharbeiten an der Fassade, die im belasteten Bereich in Folge höherer Verschmutzung stärker beansprucht wird. In den meisten Fällen ist den dienenden (mit dem Wegerecht belastetes Grundstück) Grundstücksinhabern nicht bewusst, dass üblicher Weise eine jährliche Wegerechtsrente von dem Berechtigten bezahlt und diese vertraglich vereinbart wird.

Ein besonderes Kapitel ist der Überbau und die damit verbundenen Verrentungsansprüche. Wenn ein Grundstückseigentümer über einen Teil des Nachbargrundstücks in Folge rechtmäßigen ,,Überbaues'' herrscht, dann hat der dienende Grundstückseigentümer Anspruch auf ,,Verrentung''. Maßgeblich zur Bestimmung der Überbaurente sind das Errichtungsjahr der Bebauung und der zu diesem Zeitpunkt gültige Bodenwert. Beispiel: Wurde bei einem landwirtschaftlichen Anwesen vor 200 Jahren ein Überbau mit einer Überbaufläche von 20 m² in einem ländlichen Gebiet (sehr geringer Bodenwert vor 200 Jahren) durchgeführt, dann wird der monatliche Verrentungsanspruch sehr wahrscheinlich unter 1,- EUR/ Monat liegen.
Jens-Peter Paulsen
Zur Person des Autors: Jens-Peter Paulsen, Dipl. Ing. (FH), Mitinhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs, Schiedsgutachter, vom RP Freiburg öbuv. Sachverständiger für das Sachgebiet Landwirtschaftliche Baubewertung und -Schätzung und Inhaber des Sachverständigenbüros bezüglich der Bewertung von Grundstücken und deren Bebauung Jens- Peter Paulsen und Kollegen*. *Alle Sachverständigen sind öffentlich bestellt und vereidigt. Telefon: 07744/929192 Home: www.jenspaulsen-weizen.de